roz evighet – nachhaltige Mode aus Ewigkeit

Kennen Sie Unternehmer:innen, die sich mehr Wettbewerber wünschen? Auf der Green World Tour in Köln 2021 haben wir zwei kennengelernt, Justus Thau und Luca Gennaro. Die beiden sind die Gründer des Modelabels „roz evighet“ Mode aus Ewigkeit. Ihre Vision: Nachhaltig produzierte Kleidung wird zum Standard. Und das geht eben nur, wenn es immer mehr ambitionierte Anbieter gibt.

Sinnstifter: Wie kommt Ihr zur nachhaltigen Mode?

Luca: Der Start war ziemlich naiv. Mode war zunächst einmal ein Hobby. Wir lieben es, uns zu kleiden, und haben über die Zeit immer mehr Feingefühl bekommen für die Frage: Was braucht man, im Sinne von, wieviel braucht man? Beide sind wir uns einig, dass man nicht 50 T-Shirts und 20 Pullover im Schrank haben muss, sondern ein, zwei gute Sachen, die stilistisch zu einem passen, die man aber auch mit gutem Gewissen tragen kann.

Justus: Das gerade haben wir als schwierig erlebt: Es musste immer Kompromisse geben. Wenn mir ein Kleidungsstück im Design gefällt, habe ich womöglich keine Ahnung, wo und wie es produziert wird. Oder umgekehrt: Ich habe mir etwas Nachhaltiges gekauft, das nicht meinem Stil entspricht.

Luca: Aus dem Hobby ist die Vision vom eigenen Label geworden, das gehört wird, das Einfluss hat. Wir möchten, dass nachhaltige Mode zum Trend und dann zum Standard wird. Dazu muss es mit der Zeit immer mehr Anbieter geben. Wer umsteigen möchte, braucht ein größeres Angebot als das, was Einzelne bieten können. Es sollte so sein, dass man sich beispielsweise ein T-Shirt und einen Hoodie bei uns kauft, dort eine Hose und wieder woanders einen Rucksack, aber immer mit der Gewissheit, nachhaltig zu kaufen. Die Community derjenigen, die darauf Wert legt, wächst. Sie soll Alternativen haben zu Herstellern, die auch teure und qualitativ hochwertige Kleidung produzieren, aber nicht nachhaltig sind.

 

Sinnstifter: Was ist „nachhaltige Mode“ in Eurem Sinne?

Justus: Nachhaltigkeit hat bei roz evighet fünf Aspekte: soziale, ökologische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Dazu kommen Transparenz und Qualität: Unsere Kunden müssen nachvollziehen können, dass und wie wir unsere Nachhaltigkeitsansprüche umsetzen, und nur die bestmögliche Qualität bringt die längstmögliche Lebensdauer unserer Kleidungsstücke. Sie sollen unsere Kunden über einen langen Zeitraum begleiten, deshalb entwerfen wir auch zeitlose Schnitte und Designs.

 

Sinnstifter: Stichwort Transparenz. Kleidung gilt ja als eine Produktgruppe, in der es besonders schwierig ist, die Herkunft der Rohstoffe, Herstellungsprozesse, Produktionsbedingungen etc. nachzuvollziehen. Wie entstehen Eure Kleidungsstücke?

Luca: Wir arbeiten mit zwei kleinen Berliner Manufakturen. Eine davon fertigt die Kleidung, die andere ist eine Behindertenwerkstatt, in der unsere Stofftaschen genäht werden. Mit beiden arbeiten wir sehr eng zusammen: Sie beraten uns, geben Anregungen und wir probieren gemeinsam etwas aus, zum Beispiel verschiedene nachhaltig produzierte Garne. Jeder lernt vom anderen. Es ist uns wichtig, Geschäftspartner:innen zu finden, die unsere Vorstellungen von Nachhaltigkeit teilen und nicht nur unsere Aufträge erfüllen. Das war nicht einfach. Wir haben viel recherchiert und Vorgespräche geführt, bis wir diese beiden Manufakturen besucht und festgestellt haben, dass es passt. In beiden Nähereien sind die Arbeitsbedingungen so, wie wir uns das vorstellen, das Klima stimmt und Probleme, Sorgen und Anreize der Mitarbeiter können offen kommuniziert werden.

Betreuer:innen in der Behindertenwerkstatt sorgen außerdem für das Wohl der Mitarbeiter:innen und unterstützen diese gleichsam bei ihrer Arbeit. In beiden Manufakturen ist uns während persönlicher Gesprächen die lockere Hierarchie und der menschliche Umgang miteinander stets positiv aufgefallen. Man schaut während dieser Prozesse auch immer ein Stück in sich selbst hinein und reflektiert die Frage, ob man sich dort selbst wohlfühlen würde. Da wir diese Frage bei beiden Manufakturen mit „Ja“ beantworten konnten, sind wir über unsere Zusammenarbeit sehr stolz. Darüber hinaus ist es ein großes Privileg zu wissen, dass es in Deutschland einen gesetzlichen Arbeitsschutz gibt, der Menschen das Recht auf faire Arbeitsbedingungen gibt.

roz evighet – Produktion von nachhaltiger Mode
Sinnstifter: Ihr bezieht die Stoffe aus Portugal und Tschechien. Wie habt Ihr hier die passenden Anbieter gefunden?

Justus: Wir arbeiten mit einer Berliner Agentur zusammen, die ökologische, GOTS-zertifizierte Stoffe vertreibt. GOTS (Global Organic Textile Standard) ist ein sehr glaubwürdiges Siegel, aber auch hier haben wir den persönlichen Kontakt gesucht und mehr Vertrauen gewonnen. Uns ist zum Beispiel wichtig, dass jemand selbst regelmäßig vor Ort ist und Arbeitsbedingungen und Fertigungsprozesse kontrolliert. Zur Zeit übernimmt das für uns die Agentur, welche regelmäßig bei den Produzenten vor Ort ist. Dadurch können wir auch im Ausland faire Arbeitsbedingungen für unsere Materialien sicherstellen. Für die Produktion unserer Kleidung nutzen wir Stoffe aus zertifizierter Bio-Baumwolle oder auch Tencel. In Zukunft planen wir bereits mit recycelten Stoffen zu arbeiten, welche unsere Auswahl an Materialien nachhaltig ergänzen wird.

Luca: Nur wenige Lieferanten haben Interesse daran, den persönlichen Kontakt zu pflegen und mit einer kleinen Manufaktur zu arbeiten. Auch in Berlin sind die meisten auf den Großhandel ausgerichtet. Mit unserer Agentur konnten wir uns, genau wie mit der Manufaktur, zusammensetzen und mal etwas ausprobieren. Nicht immer ohne Probleme: Unser erster Hoodie war nach dem Waschen komplett im Eimer! Gemeinsam mit der Manufaktur haben wir verschiedene Garne aus recyceltem Material ausprobiert. Einige davon sind beim Nähen einfach gerissen! Inzwischen haben wir ein hervorragendes Produkt aus recycelten PET-Flaschen gefunden.

Justus: Uns ist beim Aufbau der Herstellungsschritte klar geworden, dass man, um wirklich nachhaltig zu sein, alle Prozesse so nah wie möglich an sich ran holen muss, also steuern und kontrollieren. Ab einer gewissen Größe muss man die Verantwortung unserer Meinung nach selbst übernehmen. Je selbstbestimmter man agiert, umso nachhaltiger kann das Unternehmen sein. Wir werden stolz sein, wenn wir eines Tages sagen können: Von der Faser bis zum fertigen Produkt ist alles unter unserer Kontrolle.

 

Sinnstifter: Roz evighet … Mode aus Ewigkeit. Das klingt recht verträumt. Als Ihr gegründet habt, ward Ihr gerade erst geschäftsfähig. Werdet Ihr als Unternehmer ernst genommen?

Justus: Anfangs nicht. Inzwischen haben aber alle um uns herum kapiert, dass wir das ernst meinen und nicht nur aus einer Laune heraus ein paar T-Shirts entwerfen. Uns begeistert alles, was zum Unternehmersein gehört. Luca studiert nebenher Wirtschaftsingenieurwesen, ich Nachhaltiges Management. Das machen wir nicht, um eine Alternative zu haben, falls das mit der Mode nicht klappt, sondern um wirklich alle Zusammenhänge zu verstehen. Wir haben einen großen Ehrgeiz, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen …

Sinnstifter: … was ja wieder zu Eurem Verständnis von Nachhaltigkeit passt – alles selbst unter Kontrolle haben. Kommt Ihr aus Unternehmerfamilien, oder woher habt Ihr die Begeisterung fürs Unternehmertum? 

Justus: Mein Vater hat eine Anwaltskanzlei, nebenbei hatte er auch mal eine Flugschule. Meine Mutter ist Psychotherapeutin und Heilpraktikerin. Insofern war ich immer nah dran an der Selbständigkeit. Für mich war schon früh klar, dass ich selbständig sein möchte.

Luca: Meine Mutter ist Finanzbeamtin! Als ich nach Hause kam und erzählt habe, dass ich mich selbständig mache und eine Firma gründe, bekam ich zunächst das italienische Temperament zu spüren. Ein wenig später hat sie gesehen, wir stecken viel Zeit rein und machen das nicht nur, weil wir keine Lust haben, ordentlich zu studieren, was die meisten um uns herum machen, sondern weil uns wirklich eine Idee antreibt. Mittlerweile ist sie sehr stolz – und ihr Wissen im Finanzwesen immer willkommen! Ich habe mir schon, als ich relativ jung war, Gedanken darüber gemacht, was ich mal machen möchte. Es sollte etwas sein, was mich erfüllt, im Idealfall etwas kreatives, womit ich anderen eine Freude mache.

Justus: Unternehmertum ist doch die schönste und effektivste Möglichkeit, etwas zum Guten beizutragen. Es gibt dieses schlechte Bild vom Unternehmer, dabei hat man unfassbar viele Möglichkeiten, für die Gesellschaft etwas Gutes zu tun. Klar, man möchte auch Geld verdienen, aber das höhere Ziel ist, und das ist auch das Umdenken in unserer Generation, nachhaltiges Wirtschaften. Wirtschaften geht auch nachhaltig und fair.

 

Sinnstifter: Das eine – nachhaltig arbeiten – geht nicht ohne das andere – Geld verdienen. Dafür muss man sich nicht entschuldigen. Nachhaltigkeit braucht Investition, spätestens, wenn Ihr Euer Produktprogramm erweitern möchtet. Was sind Eure Pläne?

Justus: Unsere Vision ist, eines Tages alles anbieten zu können, also nachhaltige Mode von Kopf bis Fuß. Aber das ist sicher ein langer Prozess, vor allem, wenn man alle Aspekte der Nachhaltigkeit in unserem Sinne berücksichtigen möchte. Ich bin zum Beispiel der Meinung, dass es für ein kleines Unternehmen, wie wir es sind, nicht möglich ist, Jeans nachhaltig zu produzieren. Bei der Herstellung des Stoffes wird enorm viel Wasser verbraucht. Es gibt inzwischen Methoden, wie Wasser gereinigt und zurückgeführt werden kann. Das wird zum Beispiel bei dem Stoff, den wir verwenden, gemacht. Aber für die Produktion von Jeans haben wir ein solches Verfahren noch nicht gefunden, zumindest nicht, ohne dass Fragen offenbleiben oder eine Hose 600 Euro kosten müsste. Das ist unser Ansatz: Bewusst pingelig sein! Unser Programm wächst in dem Maße, in dem wir für weitere Rohstoffe, Komponenten, Fertigungsschritte etc. wirklich die volle Verantwortung übernehmen können. Eine Jeans, um nochmal bei diesem Beispiel zu bleiben, hat viele Einzelkomponenten vom Reißverschluss bis zur Niete, für die man erst einmal 100% zuverlässige Quellen finden muss. In dem Bereich ist es sehr schwierig, wirklich nachhaltige Mode zu produzieren.

Luca: Ich glaube, dass Menschen zu wenig aufgeklärt sind darüber, wie sich der Preis eines Kleidungsstücks zusammensetzt. Ein nachhaltig produziertes T-Shirt kostet mehr als Rohstoff, Produktion und Logistik. Es steckt viel Zeit darin, neue Wege zu gehen und auszuprobieren.

Justus: Die Frage wird immer wieder sein, ob man investieren kann und es schafft, die notwendigen Technologien selbst bereitzustellen, oder ob man einen Kooperationspartner findet, der das bieten kann und größere Mengen produziert, so dass der Prozess wirtschaftlich wird.

Luca: Vorerst bleiben wir bei Produkten, die wir selbst im wirklich strengen Sinne realisieren können.

 

Sinnstifter: Zurzeit habt Ihr Hoodies und T-Shirts als nachhaltige Mode. Was kommt als nächstes?

Luca: Wir arbeiten an weiterer Oberbekleidung mit einem etwas breiteren Spektrum. Reißverschlüsse kommen dazu, weitere Farben und wir zeigen, dass nachhaltige Mode sich weiterentwickeln kann. Es geht nicht nur dunkel. Wenn die Nachfrage groß ist, soll es natürlich größere Stückzahlen geben, als wir jetzt anbieten. Zur Nachhaltigkeit gehört aber auch eine gewisse Exklusivität und limitierte Ware. Das setzt eine starke Achtsamkeit voraus und das Bewusstsein, weniger zu brauchen.

 

Sinnstifter: Woran sollten Unternehmen Eurer Meinung nach arbeiten, um zukunftsfähig zu sein?

Justus: Ich habe den Eindruck, dass in vielen Unternehmen Angst herrscht. Man arbeitet sich von einem Problem zum nächsten, immer mit der Sorge, wie es weitergeht. Demgegenüber stabilisiert nachhaltiges Denken und Planen. Dazu braucht es Mut, aber auch Freude daran, neue Wege zu gehen. Unternehmen, die seit vielen Jahren erfolgreich sind, haben oftmals auch das Potential, sich neuen Technologien zu widmen.

Luca: In Zukunft wird es besonders wichtig ist, eine gute Beziehung zu Mitarbeitenden zu haben. Gute Arbeit braucht gegenseitige Wertschätzung. Wenn man Menschen am Arbeitsplatz die Chance gibt, sich auszuleben, ihre Fähigkeiten einzubringen und kreativ zu werden, ist das doch das Größte, was man bieten kann.

 

Sinnstifter: Nach welchen Kriterien entscheiden Eure Freunde, was sie machen? 

Luca: Da ist ein großes Bedürfnis nach Sicherheit und nach Work Life-Balance. Ich kann das schwer nachvollziehen, da für mich Arbeit Leben ist. Die Dinge greifen doch ineinander wie viele kleine Zahnräder, die in der Gesellschaft zusammenspielen: nachhaltiges Wirtschaften, verantwortungsvoller Umgang mit der Natur, mentale Gesundheit. Wenn ich etwas tue, worin ich einen Sinn sehe und das mich mit Freude erfüllt, sind mir die Arbeitszeiten egal. Unser Traum ist es, Arbeitsplätze zu schaffen, in denen man beides hat – Sicherheit und die Möglichkeit, die Gesellschaft positiv mitzugestalten.

 

Roz Evighet – der Name ist Haltung für nachhaltige Mode

roz ist ein Fantasiename, der im entfernten von der Rose abgeleitet ist. Das Wort symbolisiert Schönheit, Langlebigkeit und Naturbelassenheit.

evighet [e v i gˈ e t] Evighet ist schwedisch und bedeutet übersetzt Ewigkeit. Damit wird die Hingabe zur Nachhaltigkeit zum Ausdruck gebracht. Mode aus Ewigkeit – Mode für die Ewigkeit. Zusammen schaffen sie einen harmonischen und unverkennbaren Klang: roz evighet. Ein bedeutungsvoller Name, über den man erst stolpert, der dann aber Klarheit gibt: schöne Ewigkeit.

Luca: „Nachhaltigkeit ist unsere Zukunft. Wir alle brauchen das Bewusstsein, Teil eines ewigen Kreislaufs zu sein, um achtsam zu leben. Kleidung ist neben Essen und Trinken das wichtigste Grundbedürfnis, deshalb ist es so wichtig, hier nachhaltig zu handeln.“

GOTS
Die Produktion von Kleidung umfasst viele Arbeitsschritte, die meist in mehreren Ländern durchgeführt werden – daher gibt es nicht viele Siegel, die den gesamten Prozess im Blick haben. So prüft Ökotex beispielsweise nur das Endprodukt auf Schadstoffe, während Fairtrade (bislang) auf den Rohstoff Baumwolle schaut (das umfassendere Siegel Fairtrade Textile Production entsteht gerade erst). Für GOTS wird die gesamte Wertschöpfungskette zertifiziert: Alle Betriebe, die an der Weiterverarbeitung der Baumwolle bis hin zum fertigen Produkt beteiligt sind, müssen die spezifischen Anforderungen erfüllen. Dabei ist es unerheblich, ob sie im Globalen Süden oder in Europa tätig sind. (Quelle: bewusstgruen.de) 

 

Interessiert an weiteren nachhaltigen Themen? Hier geht es zu unserem Artikel über nachhaltige Mobilität: Fahrrad statt PKW.